Mit gerade einmal 19 Jahren hielt Lucy Neesen (inzwischen 20) aus Büren vor wenigen Monaten stolz ihren Meisterbrief in den Händen – und gehört damit zu den jüngsten Maurer- und Stahlbetonmeisterinnen und -meistern in Deutschland. Dass sie zugleich eine von nur sehr wenigen Frauen in ihrem Handwerk ist, macht ihren Weg noch bemerkenswerter. „Lucy Neesens Karriere ist ein starkes Zeichen für die Zukunft des Handwerks“, würdigt Aloys Buschkühl, Stv. Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe.

Dass ein klassischer Bürojob nicht das Richtige für sie ist, war der jungen Handwerkerin schon früh klar. Den ersten Gedanken, Bauzeichnerin oder Architektin zu werden, verwarf sie nach ersten Einblicken schnell. Während der Corona-Zeit begleitete sie ihren Vater Michael Neesen, Inhaber der Neesen Schlüsselfertigbau GmbH, dann häufig auf Baustellen – und fand dort ihre Welt. „Nach der 10. Klasse war für mich klar: Ich will eine praktische Ausbildung und zwar als Maurerin. Die Entscheidung war meine ganz eigene – unabhängig von unserem Familienbetrieb“, blickt sie zurück.

Damit einher ging von Anfang an ein großer Ehrgeiz: Sie verkürzte ihre Ausbildung auf zwei Jahre – ein straffes Programm. Doch statt danach eine Pause einzulegen, entschied sie sich, sofort den nächsten Schritt zu gehen: „Ich war im Lernen drin, also habe ich durchgezogen. Das Ziel war klar: den Meister in der Tasche haben.“ Mit eisernem Willen absolviert Lucy Neesen nahtlos die Meisterschule. „Es war eine harte Zeit – voller Fleiß, Fokus und auch vieler schlafloser Nächte. Aber ich hatte mein Ziel immer vor Augen.“

Als Frau im Maurerhandwerk – eine große Ausnahme

Schon während der Ausbildung war Lucy Neesen in ihrem Beruf eine Seltenheit: „Wir waren zu Beginn drei Mädels im Technologie- und Berufsbildungszentrum in Paderborn (tbz) – am Ende waren wir nur noch zu zweit.“ In der Meisterschule war sie von Anfang an als Frau allein unter Männern.

Kreishandwerksmeister Mickel Biere ist von dem Weg der selbstbewussten Handwerkerin überzeugt: „Ich finde es ganz wichtig, dass junge Frauen es sich zutrauen, ihren Weg zum Traumberuf zu gehen – unabhängig davon, ob es vermeintlich ein ,Männerberuf‘ ist. Lucy Neesen ist dafür ein großartiges Beispiel: Sie hat allen gezeigt, dass Können nichts mit dem Geschlecht zu tun hat.“

Auf der Baustelle kommt sie souverän zurecht: „Viele Handwerker kennen mich schon seit Jahren, da gibt es keine Diskussionen.“ Und auch zunächst unbekannte Auftraggeber oder Handwerker akzeptieren sie in der Regel schnell. Trotzdem gäbe es auch mal Situationen, in denen Vorurteile durchscheinen. „Da muss man standhaft bleiben. Am Ende zählt, was man kann“, ist die Maurermeisterin überzeugt. Aloys Buschkühl betont: „Lucy ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, welche Chancen junge Menschen – gerade auch junge Frauen – im Handwerk haben. Sie steht für Mut, Leistungsbereitschaft und authentisches Auftreten. Das Handwerk braucht solche Vorbilder.“

Ob sie je an ihrem Weg gezweifelt habe? Lucy lacht: „Es gab stressige Momente – keine Frage. Besonders die sechs Monate im Fachteil der Meisterausbildung waren heftig. Aber am Ende gilt bei uns zu Hause: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Das ist auch das Motto, dass sie anderen Frauen mit auf den Weg geben möchte.

Auf die Frage, was sich im Handwerk ändern müsste, um die Branche für junge Menschen und insbesondere junge Frauen attraktiver zu machen, hat sie klare Antworten: „Weniger Bürokratie würde uns allen helfen. Außerdem wünsche ich mir mehr Sichtbarkeit für Frauen im Handwerk.“ Dazu will sie aktiv beitragen und plant, als junge Maurermeisterin verstärkt in den Sozialen Medien aktiv zu werden. Und auch wenn es für sie insgesamt gut läuft, findet sie es wichtig, die Altgesellen für das Thema „Frauen im Handwerk“ noch stärker zu sensibilisieren. „Außerdem wäre es wichtig, dass die Jugendlichen von ihrer rosa Wolke runterkommen. Handwerk heißt anpacken – für diesen Einsatz gibt es dann unglaublich viel Zukunft.“

Verantwortung übernehmen

Für sie selber liegt das Glück dabei oft in den kleinen Dingen: „Wenn ein Bauabschnitt fertig ist und man sieht, was man geschaffen hat – das ist ein super Gefühl.“ Und: „Jeden Morgen den Sonnenaufgang auf der Baustelle anzuschauen, das macht mich glücklich.“

Ihre nächsten Ziele hat die junge Frau längst vor Augen: Sie möchte künftig den Familienbetrieb mitführen und hier noch mehr Verantwortung übernehmen. Dafür will sie betriebswirtschaftlich und in der Praxis noch weiter dazulernen. „Vielleicht mache ich irgendwann noch den Betriebswirt“, sagt sie. Ihr persönlicher Traum? „Dass auch ich unser Familienunternehmen eines Tages an meine Kinder weitergeben kann.“

 

Bildunterschrift: Maurermeisterin Lucy Neesen (Mitte) zeigt stolz ihren Meisterbrief. Im Bild ist sie zusammen mit Aloys Buschkühl (links), Stv. Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe, und Kreishandwerksmeister Mickel Biere (rechts).