Der Kontrast könnte größer nicht sein. Hell und offen, fast futuristisch, wirkt der Campus Handwerk in Bielefeld und steht somit auch architektonisch für ein zukunftsgewandtes Hand-werk. Mitten drin steht nun eine historische Zunfttruhe aus kunstvoll verziertem, dunklem Eichenholz, die an längst vergangene Zeiten erinnert.
„Das Handwerk ist heute ein durch technologischen Fortschritt stark geprägter, moderner Wirt-schaftszweig. Trotzdem sind wir uns unserer langen Traditionen und Werte durchaus bewusst und stolz darauf“, sagt Dr. Jens Prager, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ostwestfa-len-Lippe zu Bielefeld und freut sich über das etwas ungewöhnliche Mitbringsel der Kreishandwer-kerschaft Paderborn-Lippe. „Die traditionellen Werte haben das Handwerk zu dem gemacht, was es heute ist“, fügt er hinzu. In diesem Sinne solle das neue Exponat künftig den Brückenschlag zwi-schen Tradition und Moderne in der Handwerkskammer symbolisieren.
„In unserem Fundus haben wir die historische Zunfttruhe entdeckt, die ehemals der Handwerks-kammer Detmold gehörte“, erklärt Michael H. Lutter, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwer-kerschaft Paderborn-Lippe. Nach Auflösung der Handwerksorganisation sei die Truhe im Besitz der Kreishandwerkerschaft-Lippe im Haus des Handwerks in Detmold verblieben. Dann sei sie noch einmal an die Paulinenstraße umgezogen und nach der Fusion mit der Kreishandwerker-schaft Paderborn in deren Besitz gelangt. Nun kehre das historische Stück zurück zum eigentli-chen Besitzer, der Handwerkskammer.
Was es mit der Zunfttruhe auf sich hat, weiß Kreishandwerksmeister Mickel Biere: „Die Zunfttru-he, auch als Zunftlade oder Innungslade bezeichnet, war ein oft kunstvoll gearbeitetes kastenarti-ges Möbelstück, das im Handwerkswesen vom 16. bis ins 18. Jahrhundert eine wichtige Rolle spielte.“ Handwerkspräsident Peter Eul fügt hinzu: „In ihr wurden all jene Dinge aufbewahrt, die für die Zunft besonderen Wert besaßen, wie das Zunftwappen, die Zunftschilder und Zunftsiegel. Sie diente aber nicht nur der Aufbewahrung wichtiger Dokumente und Wertobjekte, sondern spielte auch bei Amtshandlungen und Zeremonien eine besondere Rolle.“

Die Bedeutung, die der Zunfttruhe beigemessen worden sei, lasse sich zum einen an den Hand-lungen ersehen, die mit ihr in Verbindung standen: der feierliche Akt am Beginn einer Sitzung, wenn die Zunfttruhe geöffnet wurde, da nur bei „offener Lad“ verhandelt werden konnte, aber auch das „Ladumtragen“, mit dem das Verbringen der Lade vom Haus des ehemaligen Vorstan-des zum neu gewählten Vorstand beschrieben wird. „Das letzte Ladumtragen im Leben dieser Zunfttruhe ist mit der Übergabe nun vollzogen“, sind sich die Vertreter von Handwerkskammer und Kreishandwerkerschaft einig.

Unterzeile (v.l.) Peter Eul, Jens Prager, Michael Lutter und Mickel Biere.

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